Keine standardmäßige Ergänzungspflegschaft für Minderjährige zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen
In einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Beschluss vom 17.04.2024 – 10 WF 16/24) wurde entschieden, dass keine standardmäßige Ergänzungspflegschaft für Minderjährige zur Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegenüber dem überlebenden Elternteil als Alleinerbe des verstorbenen Elternteils erforderlich ist.
Hintergrund und Sachverhalt
Der Fall betraf eine Familie, in der der Vater der minderjährigen Kinder verstorben war. Die Mutter, als Alleinerbin aufgrund testamentarischer Erbfolge, war mit der Verwaltung des Nachlasses betraut. Das Familiengericht hatte eine Ergänzungspflegschaft zur Vertretung der Kinder in Bezug auf eventuelle Pflichtteilsansprüche angeordnet, da es eine Interessenkollision vermutete.
Die Kindesmutter legte Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ein, da sie der Ansicht war, dass eine abstrakte Interessenkollision nicht ausreiche, um eine Ergänzungspflegschaft zu rechtfertigen.
Entscheidung des OLG Köln
Das OLG Köln gab der Mutter Recht und entschied, dass die Einsetzung eines Ergänzungspflegers für die Pflichtteilsansprüche der Kinder nicht geboten sei.
Die Kernpunkte der Entscheidung sind wie folgt:
Keine gesetzliche Vertretungsausschluss: Der überlebende Elternteil, der als Alleinerbe eingesetzt ist, ist nicht automatisch nach §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1824 Abs. 2, 181 BGB von der gesetzlichen Vertretung der Kinder ausgeschlossen.
Notwendigkeit konkreter Interessengegensätze: Für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft müssen konkrete, erhebliche Interessengegensätze vorliegen. Eine pauschale Vermutung reicht nicht aus. Der Eingriff in das elterliche Sorgerecht ist nur gerechtfertigt, wenn er dem Wohl des Kindes dient. Bei der Entscheidung über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft muss die mögliche Gefährdung des Pflichtteilsanspruchs gegen die Wahrung des Familienfriedens abgewogen werden.
Kein Bedarf an einem Pfleger: Weder für die Berechnung noch für die Entscheidung über die Geltendmachung des Pflichtteils ist grundsätzlich ein Pfleger erforderlich, es sei denn, es gibt konkrete Anhaltspunkte, dass der erbende Elternteil die Pflichtteilsansprüche des Kindes gefährdet.
Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Mutter mit dem Gericht kooperierte und den Nachlass mitteilte. Es gab keine Anzeichen dafür, dass sie die Interessen der Kinder gefährdete.
Praxishinweis und Implikationen
Der Beschluss des OLG Köln stellt sich gegen eine verbreitete Praxis der Familiengerichte, bei einem werthaltigen Nachlass und einer Alleinerbeinsetzung des überlebenden Elternteils standardmäßig eine Ergänzungspflegschaft anzuordnen. Diese Praxis belastet den überlebenden Elternteil in einer ohnehin schwierigen Lebenssituation psychisch unangemessen schwer und stellt einen unnötigen Eingriff in das elterliche Sorgerecht dar.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Köln betont die Notwendigkeit, dass eine Ergänzungspflegschaft nur bei konkreten Interessengegensätzen und Gefährdungen des Pflichtteilsanspruches angeordnet werden darf. Diese Rechtsprechung stärkt die Position der überlebenden Elternteile. Die Kinder sind durch die Pflicht, ein Vermögensverzeichnis grds. nach § 1640 BGB beim Familiengericht einzureichen, zunächst einmal ausreichend geschützt. Im Übrigen ist die Verjährung der Pflichtteilsansprüche der Kinder nach § 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2a BGB sowieso bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gehemmt, sodass die Geltendmachung dem Kind vorbehalten bleiben soll.
Wir beraten Sie nicht nur in Mainz, Wiesbaden oder Frankfurt sondern mithilfe von Teams- und Zoomvideocalls auch völlig unabhängig von Ihrem Wohnort! Falls Sie sich für eine Beratung interessieren, vereinbaren Sie doch gerne gleich einen Termin.